Andacht zu Jeremia 2, Vers 31 bis Jeremia 3, Vers 5 | |
index | Autor: Ulrich Kritzner |
Liedvorschlag: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft (Kanon) | |
Liedvorschlag: Herr, gib uns Deinen Frieden (Kanon) | |
Ich möchte heute mit Euch über die Worte des Propheten Jeremia nachdenken. Worte, die Gott zu seinem Volk Israel geredet hat. | |
Des Herrn Wort geschah zu Jeremia:
"Geh hin und predige öffentlich der Stadt Jerusalem und sprich: So spricht Gott JHWH" | |
Dieser Berufung ist der Prophet gefolgt und was Gott durch ihn sagen ließ ist überliefert. | |
Kapitel 2, Vers 31 bis Kapitel 3, Vers 5:
Du böses Geschlecht, merke auf JHWHs Wort! Bin ich denn für Israel eine Wüste oder ödes Land? Warum spricht denn mein Volk: "Wir sind freie Herren und brauchen dir nicht mehr nachzulaufen"? Vergißt wohl eine Jungfrau ihren Schmuck oder eine Braut ihren Schleier? Mein Volk aber vergißt mich seit endlos langer Zeit. Wie fein findest du Wege, dir Liebhaber zu suchen! Darum hast du dich auch gewöhnt, auf bösen Wegen zu wandeln. Auch findet man an deinen Kleidern das Blut von Armen und Unschuldigen, die du nicht beim Einbruch ertappt hast, sondern die alledem widerstanden. Und doch sprichst du: Ich bin unschuldig; er hat ja doch seinen Zorn von mir gewandt. Siehe, ich will dich richten, weil du sprichst: Ich habe nicht gesündigt. Was läufst du denn so leichtfertig bald dahin, bald dorthin! Auch an Ägypten wirst du zuschanden werden, wie du an Assyrien zuschanden geworden bist. Denn du mußt auch von dort wegziehen und deine Hände über dem Kopf zusammenlegen; denn JHWH hat sie verworfen, auf die du deine Hoffnung setztest, und es wird dir nicht mit ihnen gelingen. Und er sprach: Wenn sich ein Mann von seiner Frau scheidet und sie geht von ihm und gehört einem anderen, darf er sie auch wieder nehmen? Ist's nicht so, daß das Land unrein würde? Du aber hast mit vielen gehurt und solltest wieder zu mir kommen? spricht JHWH. Hebe deine Augen auf zu den Höhen und sieh, wo du allenthalben dich preisgegeben hast! An den Wegen sitzt du und lauerst auf sie wie ein Araber in der Wüste und machst das Land unrein mit deiner Hurerei und Bosheit. Darum muß auch der Frühregen ausbleiben, und kein Spätregen kommt. Aber du hast eine Hurenstirn, du willst dich nicht mehr schämen und schreist jetzt zu mir: "Lieber Vater, du Vertrauter meiner Jugend! Willst du denn ewiglich zürnen und nicht vom Grimm lassen?" Siehe, so redest du und lässest dir nicht wehren. | |
Worte des lebendigen Gottes JHWH. (revidierte Lutherübersetzung, HERR durch JHWH ersetzt) | |
Zur Erklärung muß angemerkt werden, daß in diesem Zusammenhang Hurerei für Götzendienst steht, sie wird in Kapitel 3 Vers 9 auch als Ehebruch mit Stein und Holz, also mit selbstgebastelten Ersatzgötterchen bezeichnet. | |
Diese Worte also ergingen zur Zeit von König Josia an Israel.
Sie sind somit nicht eigentlich für uns geschrieben und gesagt worden,
sondern vor Jahrtausenden an ein ganz anderes Volk.
Wieso habe ich sie also ausgerechnet für uns und für heute ausgewählt? Wohl vor allen Dingen deshalb, weil ich sie gar nicht ausgewählt habe, sondern weil die Worte mich ausgewählt haben. Beim eher zufälligen Stochern in den Prophetenbüchern hat mich dieser Text förmlich angesprungen. Es ist eine von den Schriften, die man nicht einfach überliest, sondern die sich in den Gedanken festkrallen und nicht mehr so schnell loslassen. Außerdem ist es unser Gott JHWH, der durch Jeremia diese Worte ausrichten ließ. | |
Was war der Grund dafür? Warum hat Gott den Israeliten derartige Vorwürfe gemacht? Wahrscheinlich, weil es unter diesem Volk, seinem Volk, Zustände gab, die ihn mächtig angestunken haben, weil man sich von Gott abwandte und sich nicht mehr für seine Gerechtigkeit interessierte. | |
Man kann sich nun die Frage stellen, inwieweit die getroffenen Aussagen auf uns zutreffen, und zwar nicht nur auf jeden einzelnen, sondern auf die Gesellschaft als solche und auch auf die Christenheit oder die Institution Kirche. Finden wir uns wieder, sind vielleicht doch nicht nur die Juden von damals gemeint sondern auch wir selber? | |
Da heißt es: | |
Warum spricht denn mein Volk: "Wir sind freie Herren und brauchen dir nicht mehr nachzulaufen" oder "Mein Volk aber vergißt mich seit endlos langer Zeit" | |
Da beklagt sich Gott JHWH über mangelnde Zuneigung und Aufmerksamkeit.
Wie ist das denn mit uns? Ist uns Gott wichtig? Fühlen wir uns ihm wenigstens verpflichtet? Behandeln wir ihn einigermaßen rücksichts- und respektvoll? Darf er unsere Gedanken bewegen? Stellt er für uns den lebendigen Gott dar, der er ist oder stellen wir ihn als schmückendes Inventar in unsere Kirchen? Was tun wir, als einzelne, als Volk, als Kirche? | |
Weiter heißt es: | |
Auch findet man an deinen Kleidern das Blut von Armen und Unschuldigen, die du nicht beim Einbruch ertappt hast, sondern die alledem widerstanden. | |
Klebt es trotz Persil an unseren Kleidern, das Blut Unschuldiger? Vielleicht klebt es nicht gerade an den Kleidern, vielleicht klebt es ja woanders. Beispielsweise an dem Geld, das uns die Industrie einbringt? Ich kenne einen Studenten aus Kamerun, der mir einiges über die Praktiken von Industriebetrieben in der dritten Welt erzählt hat, von Konzernen, die zu unser aller Wohlstand beitragen. Unsere Industrie machte und macht in der dritten Welt sehr profitabel Geschäfte mit Giften, die bei uns längst verboten sind. Teilweise handelt es sich dabei auch um sogenannte "Endwicklungshilfe", will sagen, daß man großzügig Sondermüll als Pflanzenschutzmittel in die dritte Welt verschenkt, um sich die Entsorgungskosten zu sparen. Weiteres Beispiel: der Waffenhandel, denn wenn man auch ein Volk von Hungerleidern ist, Geld für Waffen, die selbstverständlich bei uns produziert werden, ist immer da. Und es wird an jeden geliefert, der ein paar Dollar zusammenkratzen kann, egal ob es sich um Militärdiktaturen oder sonstwen handelt. Zur Mehrung des Wohlstandes von uns allen. Vielleicht klebt auch Blut im Erdöl, an der Kohle, dem Erz mit und aus dem wir unsere teueren Spielzeuge machen und betreiben. Nicht selten werden über den Kauf Militärdiktaturen finanziert, Lebensräume von Menschen zerstört oder billige Arbeitskräfte unter katastrophalen Bedingungen ausgepreßt. Oder ein Beispiel aus dem eigenen Land: unsere Strassen. Ja, an unseren Straßen klebt das Blut Unschuldiger. Die Unfallstatistiken sagen viel über die Zahl unschuldig plattgefahrener oder verletzter Menschen aus. Darunter sind jede Menge Kinder, die eigentlich damit gar nichts zu schaffen haben. Diese Opfer sind billigend in Kauf genommen, plattgefahren durch den stärkeren und schnelleren, und zwar um unser auf Mobilität basierendes Gesellschaftssystem am Laufen zu halten. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Und wieder stellt sich die Frage nach der Menge des Blutes, die speziell an uns persönlich klebt. Wieviel dieser Verantwortung lastet auf uns, auf unserem Volk, auf der Christenheit? | |
Weiter steht geschrieben: | |
Wie fein findest du Wege, dir Liebhaber zu suchen! Darum hast du dich auch gewöhnt, auf bösen Wegen zu wandeln. | |
Finden wir Wege, uns Liebhaber zu suchen oder anders:
haben wir uns irgendwo das ein oder andere goldene Kalb gebastelt? Etwas, das uns wichtiger ist als Gott? Diese Frage hängt heute eng mit der Frage nach dem Blut Unschuldiger zusammen. Das Blut am Geld, im Öl, an der Kohle, am Erz, an den Straßen und wer weiß wo noch. Menschenopfer, dargebracht für die Götzen Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Mobilität, Spaß und so weiter. Überhaupt steht der schnöde Mammon dringend im Verdacht, zu einer Art Ersatzreligion geworden zu sein, dicht gefolgt von Spaß, Luxus, Süchten, ewiger Jugendlichkeit und so fort. Doch auch die Christenheit läuft an mehreren Stellen Gefahr, zu einem Verein von Menschen zu werden, die sich selbst für gut halten, ein bisschen Liturgie singen und sich ein Kreuz um den Hals hängen, weil es eben cool ist. Ich habe den Eindruck, manch einem ist die Kirche als Institution wichtiger als Gott selber. Auch das ist eine Art von Götzendienst. | |
In Vers 35 heißt es weiterhin: | |
Und doch sprichst du: ich bin unschuldig; er hat ja doch seinen Zorn von mir gewandt. Siehe ich will dich richten, weil du sprichst: ich habe nicht gesündigt. | |
und weiter hinten: | |
Aber du hast eine Hurenstirn, du willst dich nicht mehr schämen. ... du tust Böses und lässest dir nicht wehren. | |
Wollen wir uns schämen? Wir sind doch wer.
Wir gehen wählen, sind freie Bürger eines freien Landes, haben uns Wohlstand erarbeitet.
Wozu schämen?
Man ist doch niemandem Rechenschaft schuldig, und wenn man doch jemandem Unrecht zugefügt hat,
so muß man das schon verstehen, schließlich waren die Umstände entsprechend
und man tut ja auch nichts ungewöhnliches.
So wird mit Schuld doch heute im Allgemeinen umgegangen. Ich für meinen Teil habe außerdem manchmal den Eindruck, daß das Sündenbekenntnis in manchen Gottesdiensten, die ich miterlebt habe, nicht nur deswegen weggelassen wurde, weil es zu unmodern, gerade nicht passend, zu anonym oder was weiß ich noch alles war, sondern weil man sich nicht schämen will. Ich selber dagegen halte ein allgemeines und mangelhaftes Beichtgebet immernoch für besser als gar kein Beichtgebet. | |
Haben wir uns in der Predigt des Propheten Jeremia wiedergefunden oder war doch nur das damalige Volk Israel gemeint? Wir alle haben den Text gehört und müssen nun darüber nachdenken oder auch nicht. | |
Als Schlußfolgerung wird empfohlen: | |
Kapitel 3 Vers 12
Geh hin und rufe diese Worte nach Norden und sprich: Kehre zurück, du abtrünniges Israel, spricht JHWH, so will ich nicht zornig auf euch blicken. Denn ich bin gnädig, spricht JHWH, und will nicht ewiglich zürnen. Aber erkenne deine Schuld, daß du wider JHWH, deinen Gott, gesündigt hast und bist hin- und hergelaufen zu den fremden Göttern unter allen grünen Bäumen, und ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht, spricht JHWH. Kehrt um, ihr abtrünnigen Kinder, spricht JHWH, denn ich bin euer Herr! | |
Worte des lebendigen Gottes JHWH. (revidierte Lutherübersetzung, HERR durch JHWH ersetzt) | |
Das ist doch ein Angebot, eines, das mehr als fair ist. | |
Dieser Aufruf zur Umkehr ist eben nicht nur an den Einzelnen gerichtet gewesen sondern an das komplette Volk Israel. So ist es auch heute nicht ausreichend, wenn nur Einzelne ihr Handeln überdenken. Aber es ist ein Anfang. Alle wissen, daß sowohl die Kirche als auch der Staat irgendetwas anders machen müssen, was genau, das sei erstmal dahingestellt. Letztendlich jedoch bleibt es an jedem von uns selber hängen, offensichtlich falsche Zustände in unserem eigenen Leben zu beheben, denn Umkehr ist nichts, was man ein für alle male gepachtet hat. Man muß sie vollziehen, wann immer sie nötig ist. | |
Liedvorschlag: Wer bin ich eigentlich, daß ich das Recht mir nehm' | |
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